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Die verborgene Vielfalt weitverbreiteter räuberischer Amöben der Ordnung Vampyrellida

Die Ordnung Vampyrellida umfasst räuberische Amöben (sog. Vampiramöben), die eine genetisch vielfältige Gruppe von Protisten des Stammes Rhizaria darstellen. Wir wissen, dass diese komplizierten Mikroben sich auf hochspezialisierte Weise von anderen Eukaryoten ernähren, aber ihre tatsächliche Vielfalt und ihre ökologischen Rollen sind nur fragmentarisch bekannt. Wir nehmen Proben von Süßwasser-, Meeres- und Landlebensräumen, etablieren Kulturen von vampyrelliden Amöben durch Einzelzell-Isolierung, untersuchen die Struktur der isolierten Spezies mit Licht- und Elektronenmikroskopie und testen ihre Beutesprektren mit Laborexperimenten. Dies kombinieren wir mit Hochdurchsatz-Sequenzierung, um die genetische Vampyrelliden-Diversität in schlecht beprobten Habitaten (z.B. Mooren) zu erkunden und die Phylogenie der Vampyrelliden besser aufzulösen. Diese Arbeiten erweitern unser phänotypisches Verständnis dieser weit verbreiteten und ökologisch interessanten Mikroben und schaffen eine Grundlage für ihre Identifizierung.

Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Taxon-omics, SPP 1991); 2021-2023

  • Methoden: Zellisolierung, Protistenkultur, Licht- und Elektronenmikroskopie, molekulare Phylogenetik, Illumina short read Sequenzierung, Taxonomie
  • Relevante Veröffentlichungen: Hess et al. 2012, Hess 2017a, Hess 2017b, More et al. 2018

 

Kohlenhydrat-aktive Enzyme von Zellwand-perforierenden, einzelligen Algenräubern

In aquatischen und terrestrischen Ökosystemen existiert eine Vielfalt an parasitoiden Mikroben, welche Algen und Pilze konsumieren, und damit einen wesentlichen Bestandteil des Nahrungsnetzes bilden. Diese parasitoiden Organismen sind jedoch noch weitestgehend unerforscht, was besonders auf die sogenannten Protoplastenfresser zutrifft. Diese Mikroeukaryoten perforieren die Zellwände von Algen und Pilzen und phagozytieren anschließend deren Zellinhalt. Über die letzten Jahre haben wir einiges über die phylogenetische Diversität, die zelluläre Struktur und über die Ökologie von Protoplastenfressern herausgefunden. Wie diese Organismen die Zellwand der Beutezellen perforieren ist allerdings bis heute ungeklärt. Neuste Transkriptomdaten von dem algenfressenden Amöboflagellaten Orciraptor agilis deuten darauf hin, dass Kohlenhydrat-aktive Enzyme an der Bindung zur Beutezelle und der Zellwandauflösung beteiligt sind. Die vorhandenen Sequenzdaten sind eine ideale Basis, um nun die nächsten experimentellen Schritte zu gehen und ein detaillierteres Konzept von Beutewahrnehmung und Zellwandperforation bei Protoplastenfressern zu erarbeiten. Mit heterologen Expressionssystemen werden wir rekombinante Orciraptor Enzyme herstellen und deren Aktivität mit aufgereinigten und natürlichen Substraten bestimmen. Zur Lokalisation der Proteine in Orciraptor, werden Antikörper erzeugt und für die Immunofluoreszenz eingesetzt. Des Weiteren werden wir die Evolution von Protoplastenfressern beleuchten, indem wir die nahen, überwiegend bakterivoren Verwanten von Orciraptor mittels RNAseq erkunden und nach Cellulasen und Kohlenhydrat-bindenden Protein suchen. Unsere Forschungen werden wir danach auch auf die sogenannten Vampiramöben ausdehnen. In den Transkriptomdaten dieser vielfältig spezialisierten Amöben werden wir gezielt nach Zusammenhängen von Fressökologie und Enzymexpression suchen. Parallel wird anhand von vergleichenden Expressionsexperimenten getestet, inwieweit weniger spezialisierte Vampiramöben ihre Enzymexpression der Biochemie der Beutezellwand anpassen. Die Transkriptomdaten von phylogenetisch diversen Protoplastenfressern werden letztlich auch zu unserem Verständnis beitragen, wie solch eine hochspezialisierte Fressstrategie mehrfach unabhängig voneinander im Stammbaum des Lebens entstanden ist.

Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Emmy Noether Programm); 2019-2025

  • Methoden: Transkriptomik, Klonierung, Proteinbiochemie, Enzymassays, Immunozytochemie, Elektronenmikroskopie
  • Relevante Veröffentlichungen: Hess und Melkonian 2014, Busch und Hess 2017

 

Diversität einzelliger konjugierender Grünalgen (Zygnematophyceae, Streptophyta)

Die konjugierenden Grünalgen (Zygnematophyceae) sind die engsten Verwandten der Landpflanzen und daher von großem evolutionsbiologischem Interesse. Neben den bekannten placodermen Desmids und den fadenförmigen Arten gibt es eine unterschätzte Vielfalt von einzelligen Zygnematophyten mit einer sehr viel einfacheren Morphologie und glatten Zellwänden - traditionell als saccoderme Desmids bezeichnet. Diese saccodermen Desmids sind geografisch weit verbreitet und ökologisch vielfältig. Viele Arten bewohnen terrestrische Lebensräume wie Totholz, Felsoberflächen und Gletschereis. Darüber hinaus haben sich mehrere saccoderme Gattungen als polyphyletisch erwiesen und werden bislang durch Umweltsequenzierung nur unzureichend erfasst. Mit morphologischen und molekularen Methoden werfen wir neues Licht auf diese unscheinbaren aber wichtigen Vertreter der Algenflora und charakterisieren verschiedene evolutionäre Linien von strukturell einfachen Zygnematophyten.

  • Methoden: Lichtmikroskopie inkl. Fluoreszenzmikrokopie, molekulare Phylogenetik, Taxonomie
  • Relevante Veröffentlichungen: Busch & Hess 2022a, 2022b

 

Zelluläre Veränderungen während der Produktion eines extrazellulären Sonnenschutzpigments in terrestrischen Grünalgen

Die „Konjugierenden Grünalgen“ (Zygnematophyceae) sind die nächsten Verwandten der Landpflanzen und daher von großer evolutionsbiologischer Relevanz. Sie sind strukturell und ökologisch sehr vielfältig, doch in Hinblick auf ihre Adaptationen an das Habitat nur fragmentarisch untersucht. Wir haben kürzlich ein noch unbekanntes Sonnenschutzpigment in einzelligen, terrestrischen Zygnematophyceen (Gattung Serritaenia) entdeckt, welches sich unter Laborbedingungen durch ultraviolette Strahlung induzieren lässt. In diesem Projekt werden wir die zellulären Veränderungen während der Produktion des Sonnenschutzpigments mit komparativer Transkriptomik, Metabolomik und Elektronenmikrokopie untersuchen. Diese Techniken werden es uns erlauben (1) Stoffwechselwege der Pigmentproduktion zu identifizieren, (2) das Pigment selbst (oder Bruchstücke davon) chemisch einzuordnen, (3) die molekularen Komponenten der UV‑Wahrnehmung zu erkunden und (4) die Sekretion des Sonnenschutzpigments auf ultrastruktureller Ebene zu verfolgen. Damit werden wir die zellulären und molekularen Geheimnisse einer außergewöhnlichen Sonnenschutzstrategie der Zygnematophyceen aufdecken und spannende Vergleiche mit pflanzlichen Modellorganismen ermöglichen.

Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft; 2021-2024

  • Methoden: Licht- und Elektronenmikroskopie, differenzielle Expressionsanalysen (Transkriptomik), Massenspektrometrie
  • Relevante Veröffentlichungen: Busch & Hess 2021

 

Das rotierende eukaryotische Flagellum von Idionectes vortex (Amoebozoa)

  • Methoden: Videomikroskopie, “motion tracking”-Experimente, Transmissionselektronenmikroskopie, Immunozytochemie, Fluoreszenzmikroskopie
  • Relevante Veröffentlichung: Hess et al. 2019

 

Bakterielle Endosymbiosen in Protisten

  • Methoden: Transmissionselektronenmikroskopie, Design molekularer Sonden, Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH), Konfokale Laser-Scanning-Mikroskopie, molekulare Phylogenetik, Taxonomie von Prokaryoten
  • Relevante Veröffentlichungen: Hess et al. 2016, Hess 2017a, Muñoz-Gómez et al. 2019